

13.09.2025
Vor genau zehn Jahren entstand der „Lauf gegen Grenzen“. Auch im Jahr 2015 machten sich Millionen von Menschen – vor allem aus Syrien, Afghanistan und dem Irak – auf den Weg nach Europa. Trotz bereits stark militarisierter Grenzen liessen sie sich nicht aufhalten und erkämpften sich eine Aufnahme durch die europäischen Länder. Ebenfalls 2015 wurde in Paris ein Klimaabkommen unterzeichnet, dass die Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2 °C festhielt. Und auch 2015 wurde ein Atomabkommen, der „Joint Comprehensive Plan of Action“ zwischen dem Iran und den fünf UN-Vetomächten und Deutschland geschlossen. Der Kern all dieser Errungenschaften lag darin, dass zumindest ansatzweise erkannt wurde, dass man globalen Problemen mit Kompromissen, Abkommen und politischen Lösungen begegnen muss – und ich muss zugeben, dass mich das damals auch ein bisschen hoffnungsvoll gestimmt hat.
Denn in dieser kurzen Phase des Aufbruchs entstand auch der „Lauf gegen Grenzen“ – eine Veranstaltung, die sich gegen Diskriminierung und Rassismus einsetzt und für globale Bewegungsfreiheit und eine solidarische Gesellschaft kämpft. Einmal im Jahr sammelt der Lauf Spenden für Organisationen und Initiativen in Basel und darüber hinaus, die sich aktiv für die Überwindung von Grenzen engagieren. Und über die Jahre ist mit dem Lauf ist eine wachsende Struktur, ein wachsendes Netzwerk an Organisationen, Initiativen und Einzelpersonen entstanden, die jedes Jahr dabei sind und die Veranstaltung und Anliegen des Laufs mittragen. Es sind zahlreiche Menschen, die hier jedes Jahr Kochen, T-Shirts drucken, eine Tombola organisieren, ein Kinderprogramm auf die Beine stellen, Musik machen oder auflegen und alle hier mit Essen und Getränken versorgen. Und jede Menge solidarische Menschen, die hier jedes Jahr mitlaufen und seit der ersten Stunde zur Musik tanzen. Vielen Dank an euch alle! All das trägt dazu bei, dass die hier vereinten Projekte weiter bestehen können, weiter solidarische Arbeit leisten, weiter gegen Diskriminierung, Rassismus, Grenzen und für eine andere Welt kämpfen können. Das ist etwas was uns sehr beglückt, und es ist wahrlich ein Grund zum feiern!
Zugleich fühlt es sich aber auch seltsam an, hier diesen Erfolg zu feiern, während sich die Situation für Geflüchtete Menschen, für Sans-Papiers, für Migrant:innen und rassifizierte Menschen in Europa und der Schweiz laufend verschlechtert:
All diesen Entwicklungen müssen wir heute offen und ehrlich ins Auge sehen, auch wenn wir darüber graue Haare bekommen.
Aber was können wir gegen diese Entwicklungen tun? Natürlich bringt man das globale Grenzregime mit einem Lauf gegen Grenzen nicht in Gefahr. Die Forderung nach «offenen Grenzen», die wir im Namen des Laufs zum Ausdruck bringen, wirkt utopischer den je. Es ist völlig klar: Um das Grenzregime in der heutigen Form zu überwinden, bräuchte es den Bruch mit der kapitalistischen Realität, die auf der Schaffung und Ausbeutung globaler Ungleichheit beruht. In der Schweiz geht es vielen Menschen so gut, weil es vielen Menschen im globalen Süden so schlecht geht. Den Menschen im Sudan, im Kongo, und auch in Gaza. Und über unsere imperiale Lebensweise passiert das praktisch automatisch. Aus dieser Logik auszusteigen ist noch schwieriger als sich von Newsletter der Anlaufstelle für Sans-Papiers abzumelden.
Das soll aber kein Argument gegen den Lauf gegen Grenzen sein. Im Gegenteil. Wenn wir die Verhältnisse die uns trennen und kaputt machen überwinden wollen, dann brauchen wir solidarische Netzwerke und Strukturen wie diese hier, die sich den Glauben an eine andere Welt nicht nehmen lassen. Allerdings braucht mehr als das, um die Entmenschlichung, den Rassismus, und Faschismus zu stoppen und eine Solidarische Gesellschaft zu erkämpfen.
Wir brauchen eine verbindliche antifaschistische Allianz, die der Entmenschlichung ohne Wenn und Aber entgegentritt, egal in welcher Form und gegen wen sie sich richtet: Sei es gegenüber Sans-Papiers, Geflüchteten, Armen, rassifizierten Menschen, Frauen, queeren Menschen, Palästinenser:innen, Muslim:innen, Jüd:innen, Jenischen, Romn:ja oder Sinti:zze. Und ich frage mich: Was könnten wir bewirken, wenn wir unsere Freund:innen und Verwandten, Nachbar:innen und Kolleg:innen, Hausärzt:innen, Barkeeper:innen oder Vorgesetzten nicht nur um Geld, sondern um ein öffentliches Bekenntnis zu dieser Allianz bitten würden? Was wäre, wenn all diese Menschen nicht nur gemeinsam laufen, tanzen und spenden, sondern auch demonstrieren, blockieren und streiken würden? Eine Allianz, die diese ganzen Initiativen hier auf dem Platz selbstverständlich finanziell mittragen würde, sodass wir nicht mehr um unsere Existenz kämpfen müssten. In zehn Jahren könnten wir den Lauf hier nur noch zum Spass veranstalten. Wenn wir das hinbekommen – und das hoffe ich doch sehr –, dann haben wir im Jahr 2035 einen Grund zum Feiern!