Die folgenden realen Fallbeispiele greifen die Thematik «Armut und Migration» auf und illustrieren die Probleme, Missstände und Ungerechtigkeiten exemplarisch. Aus Personen- und Datenschutzgründen wurden die Fallbeispiele anonymisiert.
D. lebt seit 2014 in der Schweiz. Obwohl sein Asylgesuch abgelehnt wurde, hat er aufgrund der bürgerkriegsähnlichen Zustände in seiner Heimat eine Vorläufige Aufnahme (VA) erhalten. Seine Frau und seine drei Kinder leben in einem Nachbarstaat seines Herkunftslandes und sind auf seine Unterstützung angewiesen. Das jüngste Kind, das während D.s Flucht zur Welt kam, hat er noch nie gesehen.
Frau Y. wohnt in einer Gemeinde in Basel-Land, ist im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung (B, ohne Asylstatus) und arbeitet seit über einem Jahrzehnt zu 50% als Küchenhilfe. Sie hat drei Kinder, von denen zwei noch minderjährig sind und zu Hause wohnen. Die Ehe mit ihrem Ex-Mann wurde vor längerer Zeit geschieden, Frau Y. sorgt also seit geraumer Zeit alleine für die beiden Kinder, weshalb sie auch nie mehr als 50% arbeiten konnte. Die Alimente für die Kinder kann ihr Ex-Mann nicht bezahlen, weil er selber unter dem (betreibungsrechtlichen) Existenzminimum lebt. Vom Begriff «Alimentebevorschussung» hatte Frau Y. noch nie gehört.
N. reiste 2012 über Italien in die Schweiz ein, um ein Asylgesuch zu stellen. Die Schweiz trat im Rahmen der Dublin-Verordnung nicht auf sein Asylgesuch ein und schaffte ihn nach Italien zurück. Dort wurde sein Asylgesuch kurz darauf abgelehnt. Nach dem ablehnenden Entscheid stand N. auf der Strasse, hatte kein Geld und kein Essen mehr. Deshalb entschied er sich, in sein Heimatland zurückzukehren, obwohl er dort als politisch aktive Person verfolgt wird.
S. ist eine junge Frau, die 2008 in die Schweiz flüchtete und ein Asylgesuch stellte. Ihre Flucht zog sich zuvor über knapp 18 Monate hin, bis sie in Europa, resp. der Schweiz landete. In ihrem Herkunftsland war sie zuvor selbstständig, hatte mit ihrer Schwester zusammen einen kleinen Laden, der gerade so funktionierte.
Herr R. lebt mittlerweile seit 25 Jahren – in der Schweiz. Er kommt damals als Bürgerkriegsflüchtling in die Schweiz und stellt ein Asylgesuch. Rund zweieinhalb Jahre später wird dieses abgelehnt, weshalb Herr R. fortan als abgewiesener Asylsuchender mit dem Drohszenario seiner Ausschaffung in der Schweiz lebt – eine Ausschaffung, die faktisch nicht möglich ist, da der Bürgerkrieg in seinem Herkunftsland kein absehbares Ende erwarten lässt.
T. ist seit 2014 in der Schweiz. Er flüchtete aus seinem Heimatland, weil er als Intellektueller das politische Regime kritisiert hatte und bei studentischen Demonstrationen teilnahm. T. hat mehrere Jahre studiert und besitzt einen Abschluss in Agrarwissenschaften – dieser wird in der Schweiz jedoch nicht anerkannt.
A. kam 1994 in die Schweiz, wo er seine zukünftige Frau (CH) kennenlernte und die gemeinsamen zwei Kinder zur Welt kamen. A. War über die Jahre hinweg in verschiedenen Branchen arbeitstätig. Im Jahr 2007 lässt sich das Ehepaar scheiden, die Mutter bekommt das Sorgerecht für die Kinder zugesprochen. A. Verliert seine Stelle und ist arbeitslos. Er ist verpflichtet, Alimente an seine Ex-Frau zu zahlen und verschuldet sich dadurch. Bei der jährlichen Überprüfung seiner Aufenthaltsbewilligung (B) weigert sich das Amt anno 2009, aufgrund seiner finanziellen Situation seine Bewilligung zu verlängern.
Herr N. flüchtet anno 2009 in die Schweiz und stellt ein Asylgesuch. In seinem Herkunftsland lässt er seine Frau, eine gemeinsame Tochter und einen Sohn aus erster Ehe mit seiner im Bürgerkrieg verstorbenen, ersten Frau zurück. Relativ schnell, nach sechs Monaten, wird das Asylgesuch von Herrn N. abgelehnt, aber gleichzeitig die vorläufige Aufnahme angeordnet. Er kann also in der Schweiz bleiben und macht sich daran, Arbeit zu finden, um eines Tages seine Familie in die Schweiz holen zu können. Die Information, dass er auch bei gefundener Arbeitsstelle zuerst drei Jahre vom Familiennachzug ausgeschlossen sei, sorgt bei ihm für Kopfschütteln und Verbitterung, doch er trägt es mit Fassung.
S. wurde in der Schweiz geboren und durchlief in einer Basler Agglomerationsgemeinde die obligatorische Schulzeit. Die Eltern von S. sind kurz vor ihrer Geburt aus ihrem Heimatland in die Schweiz geflüchtet, wobei sie nur eine vorläufige Aufnahme erhielten. Ebenso erhielten S. und ihre Geschwister bei der Geburt den gleichen Aufenthaltsstatus. Die vorläufige Aufnahme wir jährlich überprüft und besagt u.a., dass bei einer «Besserung im Heimatland» S. und ihre Familie in ihr Heimatland abgeschoben werden könnten. Und dies obwohl S. und ihre Geschwister nie zuvor ihr Heimatland besucht haben bzw. es überhaupt besuchen konnten.
Herr V. ist 58 Jahre alt und seit 1984 in der Schweiz und verfügt seit dem Jahr 2000 über eine Niederlassungsbewilligung (C-Ausweis). Seit mehreren Jahren ist er geschieden von seiner ersten Ehefrau, die mit den gemeinsamen zwei Kindern in der Schweiz lebt.
Noch im minderjährigen Alter flüchtete S. alleine aus ihrem Herkunftsland. Sie stellte in der Schweiz ein Asylgesuch, das in Folge abgelehnt wurde, indes die vorläufige Aufnahme verfügt wurde – sie durfte vorerst in der Schweiz blieben.
«Mister L», wie er sich gerne selber nennt, stellt im Frühjahr 2009 ein Asylgesuch in der Schweiz. Sein Verfahren bis zum Entscheid dauert geschlagene drei Jahre, im März 2012 wird sein Asylgesuch abgelehnt. Er erhebt gegen den Entscheid Beschwerde, die aber chancenlos ist und ebenfalls abgelehnt wird. L. lebt fortan als abgewiesener Asylsuchender in der Schweiz, der das Land verlassen muss. Er kann dies freiwillig tun oder er wird ausgeschafft.
M. verlässt sein Herkunftsland anno 2003, bevor er in die Schweiz flüchten muss. In seiner Heimat ist er verheiratet (2001) mit seiner Jugendliebe K. Die beiden haben zwei gemeinsame Kinder (geb. 1998 und 2002). Nach der Geburt des zweiten Kindes lassen sie sich indes scheiden, auf Grund familiärer Streitigkeiten. M. wird nach seiner Flucht in der Schweiz als Flüchtling anerkannt und erhält Asyl. Seine beiden Kinder folgen ihm in die Schweiz. Einige Jahre später erhalten all drei eine Niederlassungsbewilligung (C-Ausweis). In der Zwischenzeit hat er wieder geheiratet – die Ehe ging aber auseinander und M. lässt sich zum zweiten Mal scheiden. In seinem Herkunftsland heiratet K. unterdessen ebenfalls zum zweiten Mal.
U. lebt die ersten 25 Jahre seines Lebens in einem nordafrikanischen Land, in ärmsten Verhältnissen. Anno 2004 flüchtet er unter widrigen Umständen nach Europa und landet in der Schweiz. Er stellt ein Asylgesuch, doch dieses wird umgehend abgelehnt. Er will nicht zurück in sein Herkunftsland, wird aber unter bis heute unklaren Umständen ausgeschafft. Er selbst sagte dazu: «Sie setzten mich auf einen Stuhl und sprühten mir etwas ins Gesicht. Als ich aufwachte war ich da, wo ich ursprünglich herkam.»